Er ist das Aushängeschild für die Deutsche Börse – doch ist der Dax überhaupt repräsentativ? Künftig soll der Leitindex breiter aufgestellt sein. Aber nicht alle Reformwünsche werden erfüllt.
Frankfurt/Main (dpa) – Die erste deutsche Börsenliga bekommt Zuwachs. Beschlossen wurde die Reform bereits im vergangenen Jahr als Antwort der Deutschen Börse auf den Wirecard-Skandal.
Am kommenden Freitagabend (3.9.) entscheidet sich, wie der Deutsche Aktienindex (Dax) ab dem 20. September zusammengesetzt ist.
Welche Änderungen hat die Deutsche Börse beschlossen?
Die auffälligste Veränderung: Der Dax wird von 30 auf 40 Konzerne aufgestockt. Im Gegenzug schrumpft der MDax der mittelgroßen Werte wieder von 60 auf 50 Unternehmen. Neu aufnehmen in den Dax will die Deutsche Börse künftig nur noch profitable Unternehmen. Wer Mitglied werden will, muss mindestens auf Basis des Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) in den vorhergehenden beiden Geschäftsjahren profitabel gewesen sein.
Die Zusammensetzung des Dax soll künftig zweimal statt nur einmal jährlich regulär überprüft werden. Dabei wird der Börsenwert, also die Marktkapitalisierung, zum wichtigsten Kriterium. Das bisherige zweite Kriterium für eine Aufnahme in einen Index, der Börsenumsatz, fällt weg. Es wird – und dies gilt auch für die anderen Indizes der Dax-Familie MDax, SDax und TecDax – durch eine sogenannte Mindestliquiditätsanforderung ersetzt.
Für alle Unternehmen in den verschiedenen Indizes der Dax-Familie gilt eine Verschärfung der Finanzberichterstattungspflichten: Sie müssen Quartalsmitteilungen und testierte Jahresabschlüsse veröffentlichen. Sonst droht der Rauswurf aus dem Index, wie die Börse betont: „Nach einer 30-tägigen Warnfrist führt ein Verstoß gegen diese Anforderungen unmittelbar zum Indexausschluss.“
Warum wurde die Reform auf den Weg gebracht?
Schon zum 30. Dax-Jubiläum im Juli 2018 hatte Deutsche-Börse-Chef Theodor Weimer laut darüber nachgedacht, den Leitindex „etwas breiter aufzustellen“ – schließlich ist der Dax das Barometer der deutschen Wirtschaft. Lange wurde der Index von den vier Branchen Chemie, Autoindustrie, Energie, Finanzdienstleistungen dominiert. Nun soll der Leitindex die deutsche Wirtschaft repräsentativer abbilden.
Der Wirecard-Bilanzskandal beschleunigte die Verschärfung des Regelwerks. Der Zahlungsdienstleister hatte sich trotz milliardenschwerer Luftbuchungen, die im Sommer 2020 aufflogen und sich zu einem der größten Betrugsfälle der deutschen Wirtschaftsgeschichte auswuchsen, noch über Monate im Dax halten können. Nachfolger wurde der Essenslieferant Delivery Hero und damit ein Unternehmen, das seit seiner Gründung 2011 im laufenden Geschäft noch nie Geld verdient hat.
Wer rückt nun in den erweiterten Dax auf?
Als sicherer Aufsteiger gilt Airbus. Der deutsch-französische Flugzeughersteller wird unter den zehn Neuaufnahmen das Unternehmen mit dem mit Abstand größten Börsenwert sein. Damit bekommt der Dax aller Voraussicht nach ein weiteres Schwergewicht auf dem Niveau des Autoherstellers Daimler oder des Versicherungsriesen Allianz. Analysten rechnen damit, dass die Airbus-Aktie etwa fünf Prozent Gewicht am Gesamtindex haben wird. Die anderen neun Aufsteiger werden alle zusammen wohl nur rund acht Prozent des künftigen Leitindex ausmachen. Im neuen Dax als gesetzt gelten wegen ihrer Größe zudem: der Modehändler Zalando, der Aromen- und Duftstoffehersteller Symrise, der Medizintechnikkonzern Siemens Healthineers, die Holdinggesellschaft Porsche, der Kochboxenlieferant Hellofresh und der Chemikalienhändler Brenntag.
Welche Unternehmen waren im Dax von Anfang an dabei?
12 der ursprünglich 30 Konzerne sind seit dem Dax-Start am 1. Juli 1988 ohne Unterbrechung in dem Index gelistet: Allianz, BASF, Bayer, BMW, Daimler (zuvor Daimler-Benz), Deutsche Bank, Eon (2006 entstanden aus Veba und Viag), Henkel, Linde, RWE, Siemens und Volkswagen.
Ändert sich mit der Erweiterung auch der Zählerstand des Dax?
Trotz der zehn neuen Unternehmen gibt es keine Auswirkungen auf den Punktestand des Leitindex. Nur das Gewicht der einzelnen Aktien ändert sich. Die bisherigen 30 Mitglieder verlieren zugunsten der Neuaufnahmen einen Teil ihres Gewichts.
Was bedeuten die Neuerungen für Anleger?
Für Privatanleger, die etwa per börsengehandelter Indexfonds in den Dax investieren, ändert sich im Großen und Ganzen nicht viel. Diese sogenannten ETFs (Exchange Traded Fund) werden von den Anbietern entsprechend umgebaut: Sie werden Aktien der Dax-Neulinge entsprechend ihres dann errechneten Gewichts kaufen und dafür Anteile an den bisherigen Dax-Werten verkaufen.
Welche Reformvorschläge haben sich nicht durchgesetzt?
Rüstungsgegner und Umweltschützer hatten vergeblich gefordert, Unternehmen von der Dax-Mitgliedschaft auszuschließen, die mehr als zehn Prozent ihres Umsatzes mit der Herstellung umstrittener Waffen machen. Dies wäre zum Beispiel für den derzeit im MDax notierten Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus zum Problem geworden. Die Frage, ob der Dax moralischer werden soll und bei der Auswahl der Mitglieder Kriterien wie Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung (englisch abgekürzt: ESG) stärker gewichten werden sollen, hatten Banken und Broker, Verbände und Profi-Investoren in einem Austausch zu der geplanten Reform im vergangenen Jahr jedoch mehrheitlich verneint.

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