Meike Schreiber berichtet aus Frankfurt über die Welt der Banken. Illustration: Bernd Schifferdecker
US-Aufseher untersuchen, ob sich die Fondsgesellschaft DWS grüner macht als sie ist – ein Weckruf für Finanzbranche und Anleger.
Von .css-viqvuv{border-bottom:1px solid #29293a;-webkit-text-decoration:none;text-decoration:none;-webkit-transition:border-bottom 150ms ease-in-out;transition:border-bottom 150ms ease-in-out;}.css-viqvuv:hover{border-bottom-color:transparent;}Meike Schreiber
Nie war es einfacher, Geld anzulegen und sich dabei gut zu fühlen – zumindest, wenn man den Sprüchen der Finanzbranche glaubt. Mit dem „Megatrend Nachhaltigkeit“ werben Fondsgesellschaften um Anlegergelder als gebe es kein Morgen, und fast im Stundentakt legen sie neue „grüne“ Fonds auf. Wer sein Geld in nachhaltige Investmentfonds umschichte, kämpfe gegen Klimawandel, Ungleichheit und unterstütze innovative grüne Produkte, heiß es verlockend. Und ja, wer will das nicht?
Auch die Fondsgesellschaft DWS hat das versprochen. Sie hat sich sogar an die Spitze der ESG-Bewegung setzen wollen. ESG steht für Environment, Social und Governance. Es geht darum, in Firmen zu investieren, die besonders wenig umwelt- und sozialschädlich sind und gut geführt werden. Man habe einen in der Branche „einzigartigen Ansatz zur Integration von Nachhaltigkeitsaspekten“ eingeführt, der weit über bisherige Branchenstandards hinausginge, lobte sich DWS-Chef Asoka Wöhrmann unlängst selbst. Kurz darauf kam die Ankündigung, von 2021 an werde dann jeder neue Wertpapierfonds ESG sein. Unternehmensintern aber hatten da längst mehrere Führungskräfte gewarnt, man stelle sich nach außen viel grüner da als man sei. In Wirklichkeit sei nur „ein kleiner Teil“ der Fonds wirklich ESG.
Die Großspurigkeit der Deutsche-Bank-Tochter rächt sich nun mit voller Wucht und das ist gut so: Die frühere Nachhaltigkeitschefin der DWS hat gerade öffentlich kritisiert, dass es ihre Ex-Chefs mit dem grünen Marketing-Getrommel völlig überzogen und damit Anleger getäuscht haben. Als am Donnerstag auch noch bekannt wurde, dass sich die US-Behörden mit dem Fall befassen, brach der Aktienkurs der DWS um fast dreizehn Prozent ein. Eine Milliarde Börsenwert löste sich binnen Stunden in Luft auf.
Mitleid mit der Frankfurter Fondsgesellschaft wäre fehl am Platz: Die DWS hat sich leichtfertig und selbstverschuldet in diese Situation manövriert. Mildernde Umstände gibt es auch nicht dafür, dass mangels ausreichender ESG-Standards sowieso jeder tue, was er wolle. DWS-Chef Wöhrmann kannte zudem die Kritik seiner Mitarbeiter. Wer seinen Fondsanlegern vorgaukelt, Firmen sorgfältig auf Nachhaltigkeitskriterien zu durchleuchten, es dann aber höchstens oberflächlich tut, richtet Schaden an. Erstens, weil ahnungslose Anleger in neue, vermeintlich grüne, zuweilen sogar teurere Fonds gelockt werden. Zweitens, weil dadurch immer noch zu viel Kapital in klimaschädliche Firmen fließt. Der Kampf gegen den Klimawandel kann nur gelingen, wenn das Geld in die richtigen Firmen geleitet wird, nicht in klimaschädliche oder windige Geschäftsmodelle.
Auf Basis ihrer angeblich einzigartigen ESG-Datenbank hatten DWS-Fondsmanager zum Beispiel noch Ende 2019 massiv in die Betrügerfirma Wirecard investiert, sogar mit einem ESG-Fonds. Die hauseigene Datenmaschine hatte den Dax-Konzern noch bis Frühjahr 2020 in der Kategorie „Business Ethik“ mit der zweitbesten Note bewertet – zu einer Zeit, als Wirecard-Vorstand Jan Marsalek mutmaßlich schon seine Flucht plante und Sonderprüfer das Zahlenwerk der Firma nach Substanz durchsuchten. Wer solche ESG-Daten hat, braucht keine feindlichen Konkurrenz mehr.
Im Idealfall wird die Causa DWS nun aber zu einem Weckruf für die ganze Branche. Vermögensverwalter sollten bei ihrem Produktmarketing dringend einen Schritt zurücktreten. Sie sollten sich eingestehen, dass es alles andere als trivial ist, eine Firma auf Nachhaltigkeit zu prüfen, dass es Wissen und Ressourcen braucht, um Geschäftsmodelle und Lieferketten zu durchleuchten.
Auch alle anderen Fondsgesellschaften müssen nun fürchten, dass es früher oder später herauskommt, wenn sie beim Thema ESG schummeln. Die Finanzaufsicht wiederum muss klare Standards formulieren und diese dann auch ernsthaft prüfen. Vor allem, ob das was auf dem Etikett steht auch drin ist. Das ist sie den Anlegern schuldig, die damit meist überfordert sind. Die Hoffnung ist, dass sich die Aufseher rund um den Globus nicht vorwerfen lassen wollen, bei einem der wichtigsten politischen Themen dieser Zeit nicht genau hingeschaut zu haben.
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