Diese Foto zeigt angeblich das Gelände eines chinesischen Umerziehungslagers bei Hotan, in der Region Xinjiang.
Der Generalstaatsanwalt soll ermitteln, ob deutsche Firmen durch ihre Geschäfte in China Beihilfe zur Versklavung von Uiguren geleistet haben.
Von .css-viqvuv{border-bottom:1px solid #29293a;-webkit-text-decoration:none;text-decoration:none;-webkit-transition:border-bottom 150ms ease-in-out;transition:border-bottom 150ms ease-in-out;}.css-viqvuv:hover{border-bottom-color:transparent;}Caspar Dohmen, Berlin, und Christoph Giesen, Peking
Gegen mehrere deutsche Bekleidungsmarken und Einzelhändler hat die Menschenrechtsorganisation European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) Strafanzeige beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe eingereicht. „Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Form der Versklavung durch Zwangsarbeit“, lautet der Vorwurf. Im Kern geht es um die China-Aktivitäten der Firmen und die Frage, welche Geschäftsbeziehungen sie in die westchinesische Region Xinjiang unterhalten. Dort an der Grenze zu Kasachstan werden Hunderttausende Uiguren in Umerziehungslagern weggesperrt. Von September bis November pflücken nach Schätzungen von Fachleuten mutmaßlich bis zu einer halben Million Uiguren Baumwolle auf den Felder Xinjiangs, zum Großteil per Hand und gegen ihren Willen. Die chinesische Regierung bestreitet die Existenz von Zwangsarbeit in Xinjiang, spricht von Ausbildungs- und Arbeitsprogrammen, die den Extremismus in der Region bekämpfen sollen.
Wenn Unternehmen in einer solchen Situation weiter Aufträge an Firmen vergeben, die Produktionsstätten in Xinjiang haben, stelle sich die Frage, ob das nicht ein Fördern der Zwangsarbeit sei, sagt die Völkerrechtlerin Miriam Saage-Maaß vom ECCHR: „Wir sehen es als Aufgabe des Justizsystems, diese Frage zu klären.“ Offen ist, ob die Generalbundesanwaltschaft ermitteln wird, ob es überhaupt eine Grundlage für eine strafrechtliche Untersuchung gibt.
Namentlich erwähnt in der Anzeige, die der Süddeutschen Zeitung und Report Mainz vorliegt, wird zum Beispiel der Discounter Lidl. Das Unternehmen unterhielt ausweislich seiner Lieferantenliste Beziehungen mit drei Textilunternehmen mit Sitz in Kaschgar, im Süden Xinjiangs. Mindestens zwei dieser Firmen sollen ehemalige Insassen der Umerziehungslager beschäftigt haben und somit aktiv die Politik des chinesischen Apparats in Xinjiang unterstützt haben. Auf Anfrage teilt Lidl mit, dass man mit zwei Firmen seit „über einem Jahr nicht mehr“ zusammenarbeite, mit dem dritten Unternehmen seit Ende Juni nicht mehr.
Erste Hinweise, dass auf den Feldern in Xinjiang möglicherweise Zwangsarbeiter zum Einsatz kommen, gibt es seit knapp drei Jahren. Im April 2019 wies die Fair Labour Association auf die Risiken von Zwangsarbeit in Xinjiang hin. Im Juli 2020 setzte das US-Handelsministerium einzelne Unternehmen, die in Xinjiang tätig sind, auf eine schwarze Liste. Im Dezember 2020 untersagte die Fair Labour Association ihren Mitgliedern wegen des hohen Risikos von Zwangsarbeit, Rohstoffe, Betriebsmittel oder Fertigprodukte aus der Region zu beschaffen. Im Januar 2021 verhängte die US-Regierung schließlich ein generelles Importverbot für Baumwolle aus Xinjiang. Erst fünf Monate später stellte Lidl die Geschäftsbeziehungen in die Region ein.
Es sei jedoch enorm schwierig, den Zwang für einzelne Zuliefererunternehmen zu belegen, so wie es die Menschenrechtsorganisation versuche, meint der Sinologe Björn Alpermann von der Universität Würzburg, der seit Jahren zu Xinjiang forscht und die Anzeige analysiert hat. „Ich kann in keinem der angezeigten Fälle glasklare Belege für Zwangsarbeit entdecken“, sagt er, aber es gebe „viele Verdachtsmomente, denen man nachgehen sollte“.
Bloß wie? Unabhängige Prüfungen, die in der Branche meist Audits genannt werden, finden kaum noch statt. Im Fall von Xinjiang weigern sich inzwischen viele der spezialisierten Prüffirmen, die menschenrechtliche Situation in der textilen Lieferkette zu beurteilen. So erklärten die weltweit führenden fünf Auditunternehmen, darunter der TÜV Süd, im September 2020, keine Inspektionsdienste mehr in Xinjiang anzubieten, weil aufgrund des repressiven Handelns der Behörden und der Errichtung eines Polizeistaates in der Region keine zuverlässige Auditierung mehr zu gewährleisten sei. Die Basis für menschen- und arbeitsrechtliche Prüfungen in Fabriken bilden jedoch Gespräche mit Arbeiterinnen und Arbeitern, die sich frei äußern können. In Xinjiang ist das derzeit unvorstellbar.
Wie viele Lieferketten deutscher und internationaler Textilunternehmen noch immer nach Xinjiang reichen, ist unklar, da nur ein Teil der Firmen seine Lieferlisten tatsächlich veröffentlicht. Damit geraten also gerade diejenigen Unternehmen in den Fokus der Öffentlichkeit, die transparenter sind als andere. Nun liegt die Entscheidung beim Generalbundesanwalt, ob er der Anzeige nachgehen oder sie zu den Akten legen wird.
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