Zwei junge Tech-Unternehmen aus Dachau und Karlsfeld wurden vom Bayerischen Wirtschaftsministerium ausgezeichnet. Im Landkreis selbst fehlt es den Start-Ups an Unterstützung. Die Wirtschaftsförderung widerspricht
Von .css-viqvuv{border-bottom:1px solid #29293a;-webkit-text-decoration:none;text-decoration:none;-webkit-transition:border-bottom 150ms ease-in-out;transition:border-bottom 150ms ease-in-out;}.css-viqvuv:hover{border-bottom-color:transparent;}Jacqueline Lang, Dachau/Karlsfeld
Die besten Ideen entstehen manchmal aus der Not heraus. So war es 2014 auch bei Jelka und Stephan Batteiger: Sie war schwanger, beide auf der Suche nach dem passenden Namen für das erste Kind. Doch echte Hilfe durch Apps: Fehlanzeige, denn eine Liste mit möglichen Namen allein hilft bei der Suche eben nur bedingt weiter. Also entwickelte das Ehepaar kurzerhand selbst eine App, die ratlosen Eltern helfen soll. Und so kam dann vor gut sechs Jahren in Dachau nicht nur ihr erster Sohn zur Welt, sondern auch die Idee für die App Charlies Names war geboren. Es ist der Anfang einer kleinen Erfolgsgeschichte, die die Frage aufwirft: Sind die Batteigers eine Ausnahme oder ist der Landkreis Dachau womöglich ein guter Standort für Tech-Unternehmen?
Tatsächlich scheint es ein gewisses Potenzial zu geben: Laut der Wirtschaftsförderung des Landkreises gibt es im Landkreis um die 2800 „technisch orientierte Firmen“. Unter ihnen sind Start-ups, die mit künstlicher Intelligenz (KI) arbeiten. Gleich zwei von ihnen zählen nun zu den insgesamt 29 Gewinnern des diesjährigen Förderprogramms „Start?Schuss!“, das 2020 bereits zum elften Mal vom Bayerischen Wirtschaftsministeriums ausgeschrieben worden ist: Conxai mit Sitz in Karlsfeld und Charlies Names aus Dachau. Ersteres will mithilfe von KI die Baubranche revolutionieren will, bei Letzterem handelt es sich um eine App, die die Namenssuche für den Nachwuchs einfacher machen soll. Über zwei Ideen, die unterschiedlicher wohl kaum sein könnten, und doch eines gemeinsam haben: Sie sind im Landkreis entstanden.
Im Gegensatz zu der Idee von Jelka und Stephan Batteiger, beide 35, die bereits vor sieben Jahren entstanden ist, auch wenn die dazugehörige Unternehmergesellschaft erst im vergangenen April gegründet wurde, gibt es das Unternehmen von Sharique Husain tatsächlich erst seit Ende 2019. Offiziell gegründet hat er Conxai dann gemeinsam mit seinem Partner Krishna Sridhar im Januar 2020. Denn er ist überzeugt: Die Baubranche arbeitet längst nicht so effizient, wie sie könnte. Schuld daran ist aus Sicht des 41-Jährigen vor allem eines: „Es gibt so viele Daten, die auf jeder Baustelle generiert werden, aber sie werden schlicht nicht genutzt.“ Dass sorge nicht nur für unnötige Kosten, es sei auch nicht nachhaltig, denn rund 20 Prozent aller Kosten auf dem Bau seien Nacharbeiten, die dadurch entstehen würden, weil man eigentlich längst bekannte Fehler auf jeder Baustelle wiederhole und jedes Mal später wieder ausbessern müsse. Das koste Zeit, Geld und Ressourcen, so Husain. Conxai entwickelt deshalb derzeit ein selbstlernendes KI-System, das die Arbeiten auf Baustellen nicht nur überwacht, sondern auch Voraussagen treffen und damit im Idealfall zum Beispiel auch Unfälle verhindern kann. Zum Beispiel soll das System dabei helfen, zu erkennen, welche Geräte nur herumstehen und welche tatsächlich genutzt werden. Gefüttert wird die KI mit Informationen mit Transaktions-, Bild- und Sensordaten, also etwa durch Bilder von Drohnen und Überwachungskameras und den genutzten Geräten vor Ort. Und, das ist das eigentlich Besondere, wie Husain betont: Conxai funktioniert als „No-Code“-Plattform, sprich, Nutzer müssen nicht codieren können, um sie zu nutzen. Es braucht deshalb auf der Baustelle keine zusätzlichen Informatiker. Klingt revolutionär? Die ersten Kunden hat das Konzept laut Husain jedenfalls schon überzeugt.
Sharique Husain ist Gründer des Start-ups Conxai, das mit künstlicher Intelligenz arbeitet.
Auf den ersten Blick etwas weniger revolutionär, dafür umso praktischer ist die App, die Stephan Batteiger entwickelt hat. Bei Charlies Names ist er für das Technische, seine Frau Jelka für das Inhaltliche zuständig. Heraus kommt dabei dann eine App, die ähnlich funktioniert wie die Dating-Plattform Tinder. Wenn einem ein vorgeschlagener Name gefällt, wischt man nach rechts, sagt einem der Name nicht zu, verschwindet er. Damit man gemeinsam mit seinem Partner oder seiner Partnerin nach einem gemeinsamen Match suchen kann, kann man beide Accounts verknüpfen – und das ganz, ohne sich kompliziert mit all seinen Daten anmelden zu müssen. Hat man einmal mehrere Namen in der engeren Auswahl kann man sich außerdem über Herkunft und Bedeutung der Namen, die einem gefallen, informieren. Übrigens: Für ihr zweites Kind haben die Batteigers selbst die App genutzt und innerhalb kürzester Zeit den richtigen Namen gefunden. Welcher es geworden ist, wollen sie aber lieber nicht verraten, Betriebsgeheimnis sozusagen. Nach all den Jahren, in denen die App vor allem Hobby war, könnte es mit der Förderung des Ministeriums nun sogar gelingen, dass die Arbeit an ihrem Projekt wirtschaftlich wird. „Es ist ein Wunsch-Traum, dass wir davon irgendwann mal leben können“, sagt Jelka Batteiger, die derzeit noch beim Jugendamt arbeitet.
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Überzeugt haben die Jury am Ende beide Projekte, sie wurden aus 145 Bewerbern ausgewählt. Nun dürfen sie sich jeweils auf bis zu 36 000 Euro Starthilfe freuen. „Mit diesem Wettbewerb fördern wir mehr Start-ups in der Anfangsphase als je zuvor“, erklärt der Bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) erfreut. Um neue wirtschaftliche Möglichkeiten konsequent wahrnehmen zu können, brauche es „innovative Geschäftsideen, flexibles Agieren und neue Denkweisen, die uns die Gründerinnen und Gründer aus Bayern liefern“, so Aiwanger in einer Pressemitteilung. Die steigende Nachfrage an dem Förderprogramm beweise, „dass gute Ideen nicht nur in den Städten, sondern überall im Freistaat entstehen“.
Auch die Wirtschaftsförderer des Landkreises sowie der Stadt Dachau freuen sich über die zwei ausgezeichneten Start-Ups. „Es freut uns, wenn aus anfänglichen Existenzgründungen wachsende Unternehmen entstehen und damit mit ihren Innovationen und Ideen den Wirtschaftsstandort bereichern und für neue Arbeitsplätze sorgen“, heißt es seitens der Wirtschaftsförderung des Landratsamt. Ähnlich äußert sie sich Robert Danzer von der Stadt Dachau: „Das zeigt, dass nicht nur in München, sondern eben auch in unserer Region und in ganz Bayern gute, moderne und auch ,digitale‘ Geschäftsideen entstehen.“
Jelka und Stephan Batteiger entwickelten eine App, die Eltern bei der Suche nach einem passenden Namen für ihr Baby helfen soll.
Beide Wirtschaftsförderungen betonen auf Nachfrage, wie wichtig die Gründung neuer Unternehmen „für Wachstum, Beschäftigung und die Zukunftsfähigkeit eines Standorts“ sei, wie Danzer es formuliert. Sie betonen außerdem, dass man gemeinsam viel dafür tue, um junge Unternehmen auf ihrem Weg zu unterstützen: So fänden etwa regelmäßig Sprechtage des Beratungsnetzwerks aus Aktivsenioren Bayern, der Industrie- und Handelskammer, der Handwerkskammer, des Kompetenzteam Kultur & Kreativ der Stadt München, des Handelsverband Bayern (HBE), des Bundesverband Dienstleistungsunternehmen (BDD) und mit Mediatoren statt. Außerdem würden normalerweise jährlich zwei Existenzgründerseminare stattfinden sowie alle zwei Jahre ein Existenzgründertag, der allerdings pandemiebedingt in den vergangenen Jahren ausgefallen sei.
Zumindest für die beiden Gewinner des diesjährigen Förderprogramms waren diese Maßnahmen jedoch offenbar wenig hilfreich – zumindest haben sie keines der Angebote in Anspruch genommen. Das mag unter anderem daran liegen, dass sowohl Sharique Husain, als auch Stephan Batteiger bereits zuvor in anderen Städten gegründet haben und daher vieles schon wussten, was bei Gründerseminaren Thema ist. Fragt man Batteiger, wie er Dachau als Standort für Tech-Unternehmen einschätze, dann bekommt man eine deutliche Antwort: Dachau fehle es an „Start-up-Feeling“, die Stadt sei einfach nicht auf Gründerinnen und Gründer ausgelegt. Er selbst würde sich da eher Richtung Augsburg, wo er selbst Software-Entwicklung lehrt, oder nach München orientieren.
Ähnlich ist das bei Husain: Seine Firma hat sogar ein eigenes Büro in der Landeshauptstadt, immerhin studieren viele potenzielle Mitarbeiter an der TU München. Von den Angeboten des Landkreises, so der Conxai-Gründer, habe man bislang nicht einmal gewusst. Danzer glaubt jedoch nicht, dass das ein Versäumnis seitens der Wirtschaftsförderung ist. Dass einige Unternehmen nicht über die ihr Angebote im Bilde seien, „heißt gar nichts“. Vielmehr legt Danzer Wert darauf, zu betonen: „Wir haben hier in Dachau nicht das Problem einer zu geringen Sichtbarkeit der Wirtschaftsförderung, sondern das Problem einer nicht sichtbaren aktiven Wirtschaftspolitik.“
Bleibt die Frage: Haben der Landkreis, die Stadt Dachau theoretisch mehr Potenzial? „Es kann alles werden. Schön wäre es auf jeden Fall“, sagt Batteiger. Er würde sich vor allem ein Gründerzentrum oder einen sogenannten Hacker-Space wünschen, einen Ort zum Austausch eben. Ersteres ist laut Danzer zumindest in Planung: Man prüfe „derzeit die Möglichkeit, ein eigenes Zentrum für den Landkreis zu schaffen. Wir sind mit drei Dachauer Unternehmern in vielversprechenden Gesprächen, um eine Kooperation auf die Beine zu stellen“. Man darf gespannt sein, ob dann endlich mehr Start-up-Feeling im Landkreis herrscht.
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