Der Streik bei der Bahn geht weiter, ein Ende des verfahrenen Tarifkonflikts ist nicht in Sicht. Die GDL kommt öffentlich zunehmend unter Druck. Auch die DGB-Spitze schaltet sich ein.
Berlin (dpa) – Der anhaltende Streik bei der Deutschen Bahn sorgt auch im Gewerkschaftslager für Unmut. DGB-Chef Reiner Hoffmann kritisierte das Verhalten der GDL und forderte die Lokführergewerkschaft auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.
„Was wir kritisch sehen, ist, dass hier eine Berufsgruppe wie die Lokführer ihre partikularen Interessen gegen das Gesamtinteresse aller anderen Bahn-Beschäftigten durchsetzt“, sagte Hoffmann der „Rheinischen Post“ (Samstag). Die GDL gehört zum Deutschen Beamtenbund (dbb) und nicht zum Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB).
Obwohl die Differenzen zwischen der Gewerkschaft und der Bahn nicht sehr groß seien, weigere sich GDL-Chef Claus Weselsky, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. „Im Kern geht es GDL-Chef Weselsky also darum, seine Gewerkschaft (…) zu erhalten und ihren Einflussbereich zu vergrößern, um auf diese Weise mehr Mitglieder zu gewinnen“, sagte Hoffmann. Bisher sei die GDL nur in 16 der über 300 Bahn-Betriebe in der Lage, Tarifverträge auszuhandeln, für alle anderen sei die größere DGB-Verkehrsgewerkschaft EVG zuständig. „Bei Herrn Weselsky und der GDL geht es ums pure Überleben“, so Hoffmann.
Sieg vor Gericht
Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) will den Streik nach einem Sieg vor Gericht bis zum geplanten Ende am Dienstag um 2.00 Uhr fortsetzen. Mit der dritten bundesweiten Streikrunde innerhalb weniger Wochen sind Fahrgäste erstmals auch an einem Wochenende von dem Ausstand betroffen – erneut kam es zu Zugausfällen und Verspätungen. Reisende drängten sich am Samstag nicht nur in die Fernverkehrszüge der Deutschen Bahn, sondern auch in die Züge privater Anbieter sowie in Reisebusse mit innerdeutschen Zielen.
Der Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Oliver Wolff, sagte: „Wir erleben, dass die Fahrgäste keinerlei Verständnis mehr für die Dauer der Streiks und die Beharrlichkeit der GDL haben, nicht an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Insofern fordert der VDV im Namen der Branche die GDL dazu auf, Verhandlungen wieder aufzunehmen und im Interesse der Bahnkunden schnellstmöglich die Verkehre wieder herzustellen.“
Der Geschäftsführer des Verkehrsbündnisses Allianz pro Schiene, Dirk Flege, sagte: „Sowohl im Interesse der Millionen Bahnkunden als auch des Klimaschutzes kann ich nur hoffen, dass dieser Arbeitskampf bald beendet ist.“ Nach den Worten von Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer ist die Heftigkeit des Streiks für die meisten Außenstehenden nicht nachvollziehbar. „Ich hoffe nicht, dass durch den Streik Kunden vergrault werden und diese in Zukunft vermehrt auf Bus und Auto ausweichen.“ Auch Flege betonte, man könne nur hoffen, dass alle Kunden wieder zurückkommen. Jetzt wäre eigentlich der Moment, nach der Corona-Phase die Aufholjagd einzuläuten.
Strengere Vorgaben für Arbeitskampf-Aktionen gefordert
Der Wirtschaftsflügel der Union fordert zusätzliche strengere Vorgaben für Arbeitskampf-Aktionen im Zug- und Luftverkehr. Dazu sollte eine Ankündigungspflicht von mindestens vier Tagen gehören, heißt es in einem Vorstandsbeschluss der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) von CDU und CSU. Zunächst berichtete die „Bild“-Zeitung darüber. Gefordert werden auch Regelungen zum Aufrechterhalten einer Grundversorgung und eine verpflichtende Schlichtung vor dem Scheitern von Tarifverhandlungen. Bei einer Urabstimmung der Gewerkschaftsmitglieder über Streiks solle zudem ein zusätzliches Quorum von 50 Prozent bezogen auf die Zahl der Mitarbeiter eines Betriebes eingeführt werden – also dass die, die zustimmen, mindestens die Hälfte der Belegschaft darstellen müssen.
Der VDV respektiert laut Wolff die Tarifautonomie. Im Kontext der Corona-Pandemie könne man aber überhaupt kein Verständnis für den Streik aufbringen. Während der Pandemie sei es breiter Konsens zwischen Politik und Unternehmen, dass das Verkehrsangebot im öffentlichen Verkehr in vollem Umfange aufrechterhalten werde.
Der FDP-Politiker Oliver Luksic sagte: „Fehlende Planbarkeit macht die Schiene unattraktiver und schadet damit erheblich der gewünschten Verlagerung hin zum Bahnfahren.“ Tarifautonomie und Streikrecht seien ein hohes Gut. „Ich wünsche mir allerdings von Seiten aller Beteiligten eine lösungsorientierte, sachliche Herangehensweise. Wenn die Konfliktparteien sich dennoch nicht einigen können, muss die erneute Anrufung eines Schlichters auf den Tisch.“