Plakate von SPD, Linken und Grünen: Diese drei Parteien kommen zusammen auf keine Mehrheit
Nach der Bundestagswahl könnte Deutschland auch wirtschaftspolitisch neue Wege einschlagen. Die SPD liegt vorn, allerdings zeichnet sich eine schwierige Regierungsbildung ab, da mehrere Koalitionen möglich sind. Marktbeobachter und Ökonomen ziehen ein gemischtes Fazit.
»Es wird vermutlich nicht für eine Rot-Rot-Grüne-Koalition reichen, damit ist nicht mit einer extremen Umstrukturierung der Wirtschaftspolitik in Deutschland zu rechnen. Aus wirtschaftlicher Sicht, ist dies zunächst eine gute Nachricht«, sagte Gabriel Felbermayr, der scheidende Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel.
Angesichts der schwierigen Regierungsbildung warnte Felbermayr jedoch: »Ob Ampel, Jamaika oder Minderheitsregierung: Man muss damit rechnen, dass die zukünftige Regierung relativ schwach sein wird, weil sich ideologisch stark unterschiedlich positionierte Parteien auf ein Programm einigen müssen.« Eine länger andauernde Lähmung und politische Unsicherheit bedeuteten wirtschaftlich nichts Gutes.
Auch mehrere Volkswirte von Banken äußerten sich erleichtert, dass eine Linkskoalition rechnerisch unmöglich ist. Jens-Oliver Niklasch von der LBBW sagte: »Aus Marktsicht dürfte es eine gute Nachricht sein.« Die verbleibenden möglichen Regierungsparteien dagegen »unterscheiden sich in wirtschafts- und finanzpolitischen Themen nicht so gravierend, als dass Kompromisse unmöglich werden«, sagte er.
Der Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer hob die Stärkung der Verhandlungsposition der FDP durch das Wahlergebnis hervor, ein wirtschaftspolitischer Linksschwenk ist damit vom Tisch. Da zugleich die Grünen ihr Ergebnis verbessern konnten, hält er ein marktwirtschaftliches Reformprogramm in Summe für unwahrscheinlich. »Eine wirtschaftspolitische Trendwende zeichnet sich damit nicht ab.«
Entsprechend hatte das Ergebnis der Bundestagswahl zunächst auch keine sichtbaren Auswirkungen am Anleihemarkt. Deutsche Staatsanleihen sind am Montag mit moderaten Kursgewinnen aus dem Wahlwochenende gekommen.
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Marcel Fratzscher forderte eine neue Bundesregierung dazu auf, schnell wegweisende Entscheidungen zum Klimaschutz, zur digitalen Transformation und zur sozialen Erneuerung zu treffen. »Wenn ihr dies nicht gelingt, wird Deutschlands wirtschaftlicher Wohlstand auf dem Spiel stehen und Europa Gefahr laufen, im Systemwettbewerb mit China und den USA ins Hintertreffen zu geraten.«
Deutschland, so Fratzscher, stehe »vor den schwierigsten Herausforderungen seit langer Zeit«. Um die Herausforderungen zu bewältigen, brauche es »endlich mehr Mut zur Veränderung«. »Dazu gehört, den mächtigen Interessengruppen die Stirn zu bieten und die größte Hürde für Reformen – die Besitzstandswahrung in Deutschland – zu überwinden.«
Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm fordert von der nächsten Bundesregierung ein »schlüssiges Gesamtkonzept« zur Klimapolitik statt einer Vielzahl an kleinteiligen Maßnahmen. »Leitinstrument« müsse die CO₂-Bepreisung sein, »sektorenübergreifend und auf europäischer Ebene«, sagte das Mitglied im Sachverständigenrat. Außerdem müsse der Ausbau von Infrastruktur für den Energietransport und für die Mobilität europaweit deutlich schneller umgesetzt werden als bislang geplant.
Grimm plädierte zudem dafür, der globalen Kooperation im Klimaschutz »deutlich mehr Aufmerksamkeit« zu widmen. »Europa, die USA und China müssen beim Klimaschutz zusammenrücken, etwa in einem sogenannten Klimaklub.« Die globalen Klimaziele ließen sich nur erreichen, wenn schnell Technologien verfügbar seien, mit denen klimafreundliches Wirtschaften in allen Ländern weltweit möglich ist.
Der Industrieverband BDI dagegen blieb in seiner ersten Reaktion allgemeiner – und forderte, wichtige Entscheidungen zugunsten des Wirtschaftsstandorts Deutschland zu treffen. Präsident Siegfried Russwurm teilte mit: »Angesichts des unklaren Wahlausgangs erwartet die deutsche Industrie jetzt von allen Parteien maximale Verantwortung und Anpacken der Prioritäten statt taktischer Manöver.«
Die Familienunternehmen in Deutschland wiederum haben ihren Widerstand gegen eine Vermögensteuer bekräftigt. »Die Diskussion über Steuererhöhungen verunsichert die Familienunternehmen«, erklärte Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Politik, in Berlin. Jetzt gehe es darum, Vertrauen zu schaffen. »Dazu müssen die Pläne für Steuererhöhungen vom Tisch.«
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