Auf der Zeil in Frankfurt: Die Menschen gehen wieder einkaufen wie vor der Pandemie.
Nach einem harten Lockdown-Winter kommt der Aufschwung. Die Wirtschaftsleistung stieg im zweiten Quartal um 1,5 Prozent. Aber was ist mit der vierten Corona-Welle?
Von .css-viqvuv{border-bottom:1px solid #29293a;-webkit-text-decoration:none;text-decoration:none;-webkit-transition:border-bottom 150ms ease-in-out;transition:border-bottom 150ms ease-in-out;}.css-viqvuv:hover{border-bottom-color:transparent;}Caspar Busse und Alexander Hagelüken
Es hat lange gedauert bis zu den guten Nachrichten, fast ein Jahr. Aber jetzt sind sie da: Die deutsche Wirtschaft ist von April bis Juni endlich mal wieder stark gewachsen, meldeten am Freitag die Statistiker. Nach einem harten Lockdown-Winter, im dem die Wirtschaft nach revidierten Angaben sogar um 2,1 Prozent schrumpfte, wuchs sie nun im zweiten Quartal stark – um 1,5 Prozent. Manche Ökonomen hatten mit mehr gerechnet. Auch die Wirtschaft in der Euro-Zone hat im Frühjahr mit zwei Prozent überraschend deutlich zugelegt. Vielleicht aber bleibt wenig Zeit, sich zu freuen. Es gibt neue Sorgen: Zerstört die vierte Corona-Welle den schönen Aufschwung?
Noch sind die Zahlen gut, richtig gut. Geschäfte und Gaststätten öffnen, die Menschen gehen wieder einkaufen und essen. Sie konsumieren wie vor der Pandemie – und wahrscheinlich sogar mehr, schätzt Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren es vor allem privater Konsum und staatliche Ausgaben, die die Wirtschaft nun wachsen ließen.
In der Industrie läuft es schon länger rund, sieht man von fehlenden Teilen wie Chips ab. Die Auftragsbücher sind voll, deutsche Produkte weltweit gefragt. Etwa in den USA, deren Wirtschaft dieses Jahr um mehr als sechs Prozent wachsen könnte. Branchen wie die Pharmaindustrie erleben eine Sonderkonjunktur. Allein der Impfstoff-Verkauf von Biontech bedeutet ein halbes Prozent mehr deutsche Wirtschaftsleistung.
Doch mancher Unternehmer malt sich aus, was die vierte Corona-Welle mit der hochansteckenden Delta-Variante anrichten könnte. „Sorgen um steigende Infektionszahlen belasten die Wirtschaft“, beobachtet Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts. Der Index für das Geschäftsklima, eine Art Frühindikator für die Konjunktur, sank im Juli, die Erwartungen gingen „überaus deutlich“ zurück. Im laufenden dritten Quartal wird die Erholung nach Ifo-Einschätzung schwach bleiben, vor allem im Verarbeitenden Gewerbe dürfte die Produktion weiter schrumpfen, wegen einer spürbaren Verschärfung der Lieferengpässe.
Autoproduktion bei VW in Wolfsburg: Weil es nicht genügend Halbleiter gibt, stehen die Bänder oft still.
Das trifft etwa die Autobauer. Daimler, Volkswagen und Tesla berichten zwar von sehr guten Geschäften: VW-Chef Herbert Diess verkündete gerade, dass im ersten Halbjahr so viel Gewinn gemacht wurde wie nie zuvor. Aber für den Rest des Jahres gibt es durchaus Bedenken. Die gesamte Branche leidet unter dem Engpass bei Halbleitern. VW geht davon aus, dass sich das Ganze sogar noch bis Ende nächsten Jahres hinziehen dürfte. Im ersten Halbjahr konnte alleine VW deshalb mehrere hunderttausend Fahrzeuge nicht produzieren. Experten gehen davon aus, dass wegen des Chipmangels 2021 weltweit insgesamt fünf Millionen Autos weniger gebaut werden können.
Lieferprobleme, oft ausgelöst durch steigende Corona-Infektionen in anderen Länder, sowie deutlich steigende Rohstoffpreise machen vielen Sorgen. Der Sportartikelhersteller Puma etwa kommt derzeit mit der Produktion nicht nach, die Nachfrage sei höher als das Angebot. Die Beschaffung sei schwierig, die Häfen überlastet, die Frachtraten sehr gestiegen. In Südvietnam, einem wichtigen Produktionsstandort für Puma, würden die Infektionszahlen sehr steigen, es gibt wieder Beschränkungen, Fabriken wurden geschlossen.
„Die aktuell gute Lage in der deutschen Wirtschaft darf nicht über drohende Konjunkturrisiken hinwegtäuschen“, warnt Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband der Deutschen Industrie. Schon jetzt mache die Ausbreitung der Delta-Variante in wichtigen Märkten Probleme. „Im Interesse der Bevölkerung und der deutschen Wirtschaft muss der Gefahr einer vierten Corona-Welle entschieden entgegengetreten werden“, sagt ein Sprecher der Deutschen Post DHL. Der Logistikkonzern aus Bonn ist zwar einer der großen Profiteure der Pandemie, weil der Paketversand und der Frachtverkehr rasant gestiegen sind. Eine vierte Welle würde aber auch die Abläufe durcheinanderbringen. Unter neuen Reisebeschränkungen durch eine vierte Welle würden auch die Fluggesellschaften und die Tourismusbranche massiv leiden.
Schaut man von individuellen Befürchtungen aufs große Ganze, stellt sich die Frage: Wie schlimm wird die vierte Corona-Welle für die Volkswirtschaft insgesamt? Noch weiß niemand, wie stark die Welle die Weltkonjunktur treffen wird. Und solange noch immer zu wenige Erwachsene geimpft sind, steigt das Risiko, dass wieder Geschäfte und Gaststätten zugesperrt werden. Deshalb rufen Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände gerade gemeinsam dazu auf, sich das Vakzin spritzen zu lassen.
Die Konjunkturforscher prognostizieren bisher, dass die Wirtschaft 2021 um drei bis gut vier Prozent wächst. IMK-Direktor Dullien sagt jetzt: „Wenn es noch mal zu so einem Lockdown wie im Winter kommt, könnte das ein bis maximal zwei Prozent Wachstum kosten.“ Er glaubt das aber nicht, weil ein möglicher Lockdown weniger stark ausfallen dürfte. Weil die Firmen gelernt hätten, Infektionen etwa durch Home-Office zu bremsen. Und weil keine Regierung erwäge, Fabriken dichtzumachen, was ökonomisch verheerend wäre.
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