Ein Mann hält ein iPhone mit der App ID Wallet, in der die digitale Variante eines Führerscheins zu sehen ist. Wegen Sicherheitsbedenken wurde die Anwendung aus den Stores von Apple und Google entfernt.
Die Panne mit dem digitalen Führerschein zeigt erneut, wie schwer sich Deutschland bei der Digitalisierung tut. Was die neue Regierung jetzt anpacken muss.
Von .css-viqvuv{border-bottom:1px solid #29293a;-webkit-text-decoration:none;text-decoration:none;-webkit-transition:border-bottom 150ms ease-in-out;transition:border-bottom 150ms ease-in-out;}.css-viqvuv:hover{border-bottom-color:transparent;}Helmut Martin-Jung
Schon wieder so ein Schenkelklopfer: Geradezu genüsslich sammeln Nutzer auf der Programmierer-Plattform Github Fehlermeldungen einer App namens ID Wallet. Damit sollten Bürger ihren Führerschein und später auch andere Dokumente in digitaler Form aufs Smartphone übertragen können. Nur funktionierte das so schlecht und ist zudem so unsicher, dass die App erst mal wieder aus den Stores von Apple und Google genommen wurde. Haha, wieder was verbockt, Regierung! Eigentlich aber müsste einem das Lachen im Hals stecken bleiben, zeigt der Misserfolg doch ein weiteres Mal, wie schwer Deutschland sich bei der Digitalisierung tut, besonders wenn es um die Verwaltung geht. Eine neue Regierung muss hier schnell neue Wege finden.
Dabei sollte der Staat, wo immer möglich, auf das setzen, was sich in der Wirtschaft längst in vielen Bereichen als Standard etabliert hat: auf Open-Source-Software. Es fehlt in Deutschland nicht an guten Entwicklern, an hervorragenden Experten. Man muss sie halt nur auch fragen und nicht – wie es lange mit dem Chaos Computer Club geschah – als halbe Staatsfeinde betrachten. Das immerhin ist ja mittlerweile anders. Allmählich wächst auch das Bewusstsein, dass es vielleicht doch nicht so gut ist, sich bei IT auf andere Länder zu verlassen.
Woran es in all den bleiernen Digital-Jahren gefehlt hat, ist das Bewusstsein, was überhaupt gerade passiert mit der Welt. Wenn Deutschland und Europa nicht vorankommen mit dem digitalen Wandel, wird die Abhängigkeit von Konzernen aus den USA und China weiter wachsen. Warum also nicht das Potenzial der vielen guten Entwickler nutzen – viele würden mit Begeisterung mitmachen, wenn ihre Fähigkeiten nur anerkannt und genutzt würden. Und wenn es eine klare Strategie mit klaren Zielen gäbe.
Erste zarte Ansätze sind zwar zu erkennen, doch die digitalen Agenden der vergangenen Legislaturperioden waren kaum mehr als vage Absichtserklärungen. Viel schlimmer aber war, dass die Regierenden, zumindest die, die etwas zu sagen hatten, die neue Welt nicht in ihrer vollen Bedeutung verstanden haben. 2013 in Bezug aufs Internet von Neuland zu sprechen, war zwar entwaffnend ehrlich, aber da war Google halt auch schon 15 Jahre alt. Die kluge und kompetente Piratin Julia Reda und den Unions-Europapolitiker Axel Voss etwa über das Thema Upload-Filter diskutieren zu hören, das tat ja fast körperlich weh. Und hätten nicht wirkliche Experten massiv interveniert, wäre aus der Corona-Warn-App auch kein weithin respektiertes Projekt geworden, das Datenschutz und Pandemiebekämpfung vereint – einige Beispiele von vielen.
Auch wenn noch ein wesentlich größeres Projekt ansteht – der Kampf gegen die Klimakatastrophe -, muss eine neue Regierung die Digitalisierung zu einem ihrer wichtigsten Themen machen. Denn nur mit dieser Technologie, die ausstrahlt in alle Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft, wird es gelingen, diesen Kampf aussichtsreich zu führen. Ein Allheilmittel ist sie aber auch nicht und nicht ohne Risiken und Nebenwirkungen.
Jetzt aber ist nicht die Zeit für lähmende Bedenkenträgerei, jetzt muss gehandelt werden – natürlich mit Datenschutz, wo er sinnvoll und notwendig ist, aber schnell muss es gehen. Lange hieß es, mit Themen wie Digitalisierung ließe sich kein Wahlkampf führen, geschweige denn eine Wahl gewinnen. Die Erfolge von FDP und Grünen, den neuen Königsmachern, pulverisieren dieses Vorurteil. Sie wurden wegen der Zukunftsthemen gewählt, gerade von den Jüngeren.
Nun müssen sie zeigen, dass es ihnen damit ernst ist. Dass es ein Digitalisierungsministerium geben wird, ist wahrscheinlich, es wird aber nur dann Wirkung entfalten können, wenn quer durch alle Ressorts endlich ein Bewusstsein dafür vorhanden ist, was die Stunde jetzt geschlagen hat. Und ja, es ist ein Knoten von ziemlich gordischer Dimension. Am wichtigsten dabei wird es sein, die Veränderungen positiv zu besetzen, das Gefühl zu vermitteln, ja, es tut sich etwas, und das ist gut für uns. Dann braucht auch der mutmaßlich bald gewesene Verkehrsminister Scheuer keine Apps mehr in die Kamera zu halten, die nicht funktionieren.
Lesen Sie mehr zum Thema
Vergleichsportal:

source