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Die Vereinten Nationen rufen wegen des schneller voranschreitenden Klimawandels die „Alarmstufe Rot“ aus. Wie ist die deutsche Wirtschaft darauf vorbereitet?

Klimawandel wird ein immer größeres Thema für die deutsche Wirtschaft. Die Flut, die Mitte Juli viele Ortschaften in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz heftig getroffen hat, hat das hierzulande nochmals deutlich gemacht. „Klimabedingte Naturphänomene wie Dürren und Fluten können die nächsten Krisen sein“, warnt auch Regina Riphahn, stellvertretende Präsidentin der Nationalen Akademie der Wissenschaften: „Das hat sich leider schneller bewahrheitet als erhofft.“
Inzwischen haben die meisten Unternehmen den Handlungsbedarf erkannt – allein schon deshalb, weil auch die Investoren immer mehr Transparenz von den Firmen fordern, wie sie mit dieser Herausforderung umgehen. So haben mehrere Versicherer in Europa auf den Druck der Anleger reagiert, darunter auch die Allianz und Munich Re. Sie haben sich in der Net-Zero Insurance Alliance (NZIA) zu einem CO2-emissionsfreien Versicherungs-Portfolio bis 2050 verpflichtet. Damit wolle man die notwendige Transformation zu einer 1,5-Grad-Celsius Wirtschaft beschleunigen, sagte Allianz-Chef Oliver Bäte bei der Vorstellung der Initiative vor einigen Wochen.
Braucht viel Energie – und verursacht (noch) viel CO2 – die Stahlindustrie
Auch Banken und Investmentfonds achten zunehmend auf klimafreundliche Finanzierungen – zumindest kündigen sie dies an. Doch offenbar hat die deutsche Finanzaufischt BaFin Zweifel daran, ob es den Fondsgesellschaften wirklich ernst ist mit diesen Aussagen. In der vergangenen Woche veröffentlichte sie einen Entwurf für eine Richtlinie, nach der sich die Fondsgesellschaften wohl auf eine strengere Haltung der Aufsicht einstellen müssen: „Da es weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene aktuell Regelungen dazu gibt, wann sich ein Investmentvermögen als nachhaltig bezeichnen oder als explizit nachhaltig vertrieben werden darf, besteht die erhöhte Gefahr eines sogenannten Greenwashing“, stellte die BaFin da nüchtern fest.
So schaut auch Gerhard Schick von der Bürgerbewegung Finanzwende skeptisch etwa auf die Selbstverpflichtung der deutschen Finanzwirtschaft aus dem Sommer vergangenen Jahres zu den Zielen des Pariser Klimaabkommens. Das sei erfreulich, doch blieben Zweifel angebracht. Denn Teile der freiwilligen Selbstverpflichtung gingen kaum über anstehende gesetzliche Regelungen hinaus, heißt es bei Finanzwende: „Selbstverpflichtungen ersetzen keine Regulierungen.“
Die Chemieindustrie hat inzwischen erkannt, dass klimafreundliche Produktion auch ihr Geschäft beflügeln kann. Wichtig für die energieintensive Chemieindustrie sei aber der Ausbau der Erneuerbaren Energien, sagt der Vorstandschef des Leverkusener Spezialchemiekonzerns Covestro, Markus Steilemann: Die gesamte deutsche Chemieindustrie brauche auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2050 „gigantisch viel Ökostrom“. Der müsse verlässlich bereitstehen und gleichzeitig so preiswert sein, dass die deutschen Hersteller im internationalen Wettbewerb mithalten könnten, forderte er kürzlich auch als Präsident des europäischen Verbands der Kunststofferzeuger, Plastics Europe. 
Einen eigenen Windpark plant der Chemiekonzern BASF (Symbolbild)
Das sieht auch BASF-Chef Martin Brudermüller so, der den weltgrößten Chemiekonzern bis 2050 klimaneutral machen will. Bis 2030 will er die Kohlendioxid-Emissionen um ein Viertel im Vergleich zum Jahr 2018 senken. BASF beziffert die Investitionskosten dafür auf bis zu vier Milliarden Euro. Ein Viertel davon fliesst in einen Offshore-Windpark vor der niederländischen Küste, den BASF gemeinsam mit dem Energiekonzern Vattenfall errichten will. Die Manager großer Industrieunternehmen hätten die Dringlichkeit verstanden, heißt es auch bei Greenpeace. Doch Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 reicht den Klimaschützern nicht – zumal BASF sich auch erst allmählich von seinen Öl- und Gasaktivitäten trennt.  
Regierungen und Konzerne bewegten sich immer noch im Schneckentempo, sagte Greenpeace-Klimaexperte Christoph Thies. Deutschland habe beim Klimaschutz versagt, heißt es auch beim WWF. „Eine der wichtigsten Säulen für den nachhaltigen Umbau unserer Wirtschaft – der Ausbau sauberer Energie aus Wind und Sonne – wurde gezielt klein gehalten“, kritisiert Christoph Heinrich, Vorstand Naturschutz beim WWF Deutschland. „Die jetzige Regierung hat strategisches Unvermögen im Kampf gegen Klimakrise und Wirtschaftsabschwung gezeigt“, meint er, die nächste werde es richten müssen.
Die muss sich dann auch damit auseinandersetzen, ob sie eine weitere Branche stärker regulieren will: Die Luftfahrt, schwer gebeutelt von der Corona-Pandemie, möchte zwar nach eigenem Bekunden auch mehr für den Klimaschutz tun. So will Lufthansa bis 2030 die CO2-Emissionen halbieren, bis 2050 CO2-neutral fliegen. „Das ist eine lange Reise, aber wir sind überzeugt, dass schaffen“, sagte Lufthansa-Chef Carsten Spohr vor wenigen Tagen bei der Vorlage der Halbjahresbilanz. Das will sie mit effizienteren Flugzeugen, aber auch etwa mit nachhaltigen Treibstoffen erreichen. Zwei Prozent Beimischung verlangt die Bundesregierung von der Branche bis 2030.
Das aber reicht aus Sicht von Wissenschaftlern nicht, die Greenpeace zu Rate gezogen hat. Selbst wenn man vollständig auf strombasierte Kraftstoffe umstelle, müsse man in Europa trotzdem den Flugverkehr um etwa 30 Prozent reduzieren, um ein dauerhaft klimaverträgliches System zu etablieren.
Die Annahme ist weit verbreitet: Klimaschutzmaßnahmen sind kostspielig und bremsen die Wirtschaft aus. Auf der anderen Seite geht der wirtschaftliche Schaden durch den Klimawandel in die Billionen.  
Weltweit entstehen Millionen neue Jobs in der Solarindustrie, Fachkräfte werden dringend gesucht. Auch in Deutschland boomt die Photovoltaik und Firmen stellen neue Mitarbeiter ein.  
Ein Seehafen, eine Eisenmine und Unmengen erneuerbare Energie: Nordschweden ist ein idealer Standort für die Produktion von Wasserstoffstahl. Zwei internationale Konsortien investieren dort – mit deutscher Beteiligung.  
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