Stand: 18.08.2021 08:52 Uhr
Die deutschen Exporte liegen wieder höher als vor Ausbruch der Corona-Krise. Ökonomen sind zuversichtlich, dass der Boom anhalten wird. Doch Lieferengpässe und Lockdowns sind schwer kalkulierbare Risiken.
2020 hat die deutsche Wirtschaft infolge der Pandemie ihren zweitstärksten Einbruch seit dem Zweiten Weltkrieg erlebt – nur 2009 schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt im Zuge der Finanzkrise noch stärker. Inzwischen scheint sich die Lage zu erholen.
Im Juni nahmen die deutschen Ausfuhren um 1,3 Prozent zu. Deutsche Unternehmen exportierten damit erstmals wieder mehr als vor der Corona-Krise. Besonders stark stiegen die Ausfuhren in andere EU-Länder an und in die USA, wo Präsident Joe Biden viel Geld in die Wirtschaft pumpt. Hier gab es ein Plus von 40 Prozent.
Auch Materialengpässe können Deutschlands Exportboom nicht aufhalten.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag korrigierte seine Prognose kürzlich nach oben und erwartet nun ein Exportplus von acht Prozent in diesem Jahr. DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier sagt: „Unerwartet zügig und kräftig ist die globale Nachfrage angesprungen, wovon die exportorientierte deutsche Wirtschaft profitiert.“ Allerdings seien die Exportzuwächse auch auf Nachholeffekte zurückzuführen. Mit Beginn der Corona-Krise waren die Exporte 2020 stark eingebrochen – dies wurde in den vergangenen Monaten zum Teil aufgeholt.
Die Exportindustrie habe dafür gesorgt, dass es im ersten Halbjahr 2021 keine schwere zweite Rezessionswelle gegeben habe, sagt Jens Südekum, Professor für Internationale Ökonomie an der Uni Düsseldorf. Das lag vor allem an den sehr guten Verkaufszahlen in China und zunehmend auch in den USA. Sie hätten die deutsche Volkswirtschaft vor Schlimmerem bewahrt.
„Nach dem schweren Einbruch der Exporte im Frühjahr 2020 war es absehbar, dass es einen genauso schnellen Wiederaufstieg gibt“, so Südekum. „Dasselbe Muster haben wir auch nach der Finanzkrise beobachtet. Der globale wirtschaftliche Ausblick ist für die kommenden Jahre durchaus positiv. Insofern dürften auch die deutschen Exporte auf absehbare Zeit hinweg gut laufen.“
Der Auftragsbestand der Industrie hat im Mai einen Rekordwert erreicht – aber das ist nur ein Teil der Wahrheit.
Doch die Transportprobleme, insbesondere im Schiffsverkehr, und Lieferengpässe von Materialien führten aktuell zu erheblichen Störungen in den internationalen Lieferketten, berichtet der DIHK. „Solange das Coronavirus nicht weltweit eingedämmt ist, besteht auch für die deutsche Außenwirtschaft mithin weiterhin die Gefahr, dass erneute Infektionswellen und damit einhergehende Einschränkungen die internationalen Lieferketten unterbrechen“, warnt Treier. „Die exportorientierte deutsche Wirtschaft ist eng mit der Weltwirtschaft verzahnt: Produktionsausfälle bei Zulieferern, Grenzschließungen und Reiseeinschränkungen wirken sich schnell negativ auf den Betriebsablauf aus.“
Jüngst hätten die Schließungen der chinesischen Häfen Yantian und Ningbo beispielsweise dazu geführt, dass zahlreiche Containerschiffe nicht be- und entladen werden konnten. „Wichtige Zulieferprodukte kommen so nicht bei den deutschen Unternehmen an, sodass inzwischen bei einigen Betrieben sogar die Bänder stillstehen“, so Treier.
Sorge bestehe auch vor einer weiteren Zunahme von weltweiten Handelshemmnissen, die man bereits im Verlauf der Corona-Krise gesehen habe. Umso wichtiger sei ein stärkeres EU-Vorgehen gegen Exportbeschränkungen von Drittstaaten und der Ausbau von Handelsabkommen zur Erleichterung des Warenaustauschs, fordert der DIHK.
Mal wieder zieht die Exportbranche Deutschlands Wirtschaft aus der Krise.
Südekum erklärt die aktuellen Lieferengpässe mit einer sprunghaft angestiegenen Nachfrage. „Das Angebot braucht noch Zeit, um sich darauf einzustellen. Aber innerhalb der nächsten sechs Monate dürften sich die Engpässe und die von ihnen ausgelösten Preisschübe weitestgehend wieder erledigt haben“, sagt er.
Insgesamt blickt er optimistisch in die Zukunft. Neue Lockdowns seien nicht absehbar. „Wenn es Einschränkungen gibt, wird das hauptsächlich die Konsummöglichkeiten für Ungeimpfte im Dienstleistungsbereich betreffen. Hiervon dürfte sich die deutsche Exportindustrie weitgehend unbeeindruckt zeigen“, so Südekum.
Aber global betrachtet stehe man noch vor großen Herausforderungen. „Auch wenn es in vielen für Deutschland wichtigen Absatzmärkten wieder rund läuft, gilt das längst nicht für alle.“ In Märkten wie Indien oder Brasilien wüte Corona weiterhin und das drücke auch auf die Nachfrage nach deutschen Produkten. Südekum fordert deshalb, „gerade ein exportabhängiges Land wie Deutschland muss deshalb ein starkes Interesse daran haben, dass die Impfkampagne auch global vorankommt“.
Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 09. August 2021 um 12:26 Uhr.
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