Der Wandel zu digitaler Arbeit wird das zentrale wirtschaftspolitische Thema. 150 Jahre nach der Gründung will Continental eigene Erfahrungen einbringen – und nennt Erwartungen an die Politik.
Hannover (dpa) – Den tiefgreifenden Umbau in Richtung Software und Elektronik bei Continental will die Konzernführung auch als Ansporn verstanden wissen, Berührungsängste gegenüber digitalen Arbeitsformen zu mildern.
„Für die gesamte Gesellschaft gilt: Man muss die Menschen begleiten“, sagte Personalvorständin Ariane Reinhart zum 150-jährigen Bestehen, das der Autozulieferer feiert. Transformation bedeute stets große Veränderungen des Vertrauten und bringe Risiken für alte Jobs – aber sie müsse häufiger als Aufbruch gesehen werden.
Es sei eine Aufgabe der Politik, dies klarer herauszustellen, meinte die Managerin auch mit Blick auf die Sondierungsgespräche zur Bildung einer neuen Regierungskoalition im Bund. „Das Signal sollte sein: Wir wollen euch alle mitnehmen. Es geht darum, Vertrauen auf- und Ängste abzubauen.“ Sobald positive Effekte deutlicher greifbar würden, werde auch die Notwendigkeit der Digitalisierung deutlicher. „Wir sind uns sehr bewusst darüber, welche Chancen in neuen Technologien liegen, ohne dass man seine Wurzeln deshalb vergessen muss“, sagte Reinhart.
Der Dax-Konzern aus Hannover macht eine grundlegende Neuausrichtung durch, die bei etlichen Beschäftigten sowie Gewerkschaftern und manchen Politikern auch auf Kritik stößt. Bis zu 30 000 Jobs weltweit sollen im laufenden Jahrzehnt „verändert“ werden, wie die Leitung dies formuliert. Dazu gehören Verlagerungen und Streichungen. Gleichzeitig werden jedoch große Weiterbildungsprogramme aufgelegt.
Digitalisierung ist auch ein Wegbereiter für Nachhaltigkeit“, sagte Reinhart. „Deshalb wünschen wir uns von der Politik: Lasst uns einen gemeinsamen Fahrplan machen, und nehmt unsere Erfahrungen aus den Unternehmen, von den Sozialpartnern, aus der Wissenschaft an.“ Es könnten dazu „Arbeitspakete gebildet werden, die man alle sechs Monate abgleichen kann“. Continental schlägt vor, dass die Regierung Anfang 2022 einen „Transformationsgipfel“ ausrichten sollte.
Konzernchef Nikolai Setzer sagte der Deutschen Presse-Agentur, man erwarte von Berlin Verlässlichkeit und Planbarkeit vor allem in der Energie-, Handels- und Arbeitsmarktpolitik. Conti selbst werde neben seinen ergänzenden Geschäften im Maschinenbau auch in der digitalen und elektrischen Ära vor allem ein Mobilitätsunternehmen bleiben.
Diesen Bereich „prägen und gestalten wir seit 150 Jahren“, meinte Setzer zum Jubiläum. „Zunächst mit Gummiprodukten für Pferde, dann kamen Kutschenbeschichtungen, Fahrräder, Autos, heute Software dazu. Mobilität ist und bleibt der Kern dessen, was wir machen.“ Im zweiten Quartal 2022 will Conti seine neue Zentrale in Hannover beziehen.
Der Leiter des Geschäfts mit Fahrerassistenzsystemen, Frank Petznick, sagte, um Angebote wie autonomes Fahren für komplexe Situationen im Innenstadtverkehr aufbauen zu können, brauche Deutschland eine gut ausgerüstete digitale Infrastruktur. Diese werde „genauso bedeutsam“ werden wie die Technik in den Autos selbst. „Ich glaube, es ist in der Politik inzwischen erkannt worden, dass wir hier auch neue Leitplanken brauchen, um die nächsten Schritte zu gehen.“

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