In vielen Bereichen der Wirtschaftspolitik hat Rot-Rot-Grün versagt. Was sich dringend ändern muss: ein Kommentar.
Die Nächsten, bitte. Am Montag hat Franziska Giffey die Vertreter von CDU und FDP in der Berliner SPD-Parteizentrale zu Gast. Die Sondierungsgespräche in der Landespolitik gehen in die zweite Runde. Die Wirtschaft und das bürgerliche Lager, das Giffey mitgewählt hat, erwarten ernsthafte Gespräche und keine Pro-Forma-Sondierungen – und zwar zu Recht. Ein Weiter so nach fünf Jahren Rot-Rot-Grün darf keine Option sein.
Nur 28 Prozent der Berliner und Berlinerinnen meinen, dass Berlin gut auf die Zukunft vorbereitet ist, 69 Prozent glauben das nicht. Und nur 19 Prozent beurteilen laut Forschungsgruppe Wahlen die Wirtschaftslage in Berlin als gut. Auch der von Rot-Rot-Grün viel gepriesene Blick auf die „Hauptstadt der Start-ups“ trügt gewaltig: 2010 stammten noch sechs der zehn beliebtesten deutschen Start-ups aus Berlin, inzwischen sind es nur noch vier. Immer beliebter werden München und Bayern. Der Freistaat ist in einem aktuellen Ranking des Karrierenetzwerks LinkedIn mit genauso vielen Top-Start-ups in der Spitzengruppe vertreten wie Berlin.
In der Bestandspflege von Berliner Betrieben hat Rot-Rot-Grün komplett versagt. Statt bürokratische Verfahren zu beschleunigen, wurde ein Vergabegesetz aufgelegt, das völlig überfrachtet ist mit Auflagen.
Wie soll ein kleiner Handwerksbetrieb, ein mittelständisches Bauunternehmen eine Frauenquote einhalten, Produkte ökologisch beschaffen, am besten noch mit einem „Fair trade“-Siegel auf dem Zementsack? Berlin vergibt jährlich Aufträge in Höhe von fünf Milliarden Euro. Angesichts der weltfremden Kriterien lehnen viele Unternehmen öffentliche Aufträge inzwischen kategorisch ab.
Keine Strategie hat Rot-Rot-Grün entwickelt, um Industriearbeitsplätze zu schaffen. 2019 entstanden in Berlin nur 600 bis 700 Industriearbeitsplätze. Aus rein ideologischen Gründen wurde die Internationale Automobil-Ausstellung nach der Ablehnung auf einem Grünen-Parteitag nicht nach Berlin geholt. Damit hat Berlin auch noch seine Chancen verspielt, ein neues Automotive-Cluster ins Laufen zu bringen mit Zukunftstechnologien und Ansiedlungen von Zulieferern, die hier neue Arbeitsplätze schaffen.
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Während des Wahlkampfs besuchen alle Spitzenkandidaten gern produzierende Gewerbebetriebe, lassen sich auf Booten und Motorrädern fotografieren, sprechen mit den Beschäftigten und versprechen alles, um Unternehmen zu unterstützen. Man darf gespannt sein, was davon nach Koalitionsverhandlungen übrig geblieben sein wird. Die Wirtschaft braucht keine „Prüfaufträge“, wie sie zigfach im letzten Koalitionsvertrag zu finden sind, sondern schnelle Lösungen.
Der Wohnungsbau in Berlin wurde von den Linken in ihrem Noch-Ressort Stadtentwicklung systematisch erdrosselt. Private Investoren fühlen sich in Berlin nicht willkommen, und die Idee, alle Wohnungskonzerne mit mehr als 3000 Wohnungen zu enteignen, grenzt an Absurdistan. Mit den dafür geschätzten 30 Milliarden Euro könnte man viele Wohnungen bauen. Platz dafür ist vorhanden.
Berlin muss endlich wieder funktionieren. Pragmatisch, ohne ideologische Verbote oder Aktionen eines grünen Stadtrats in Friedrichshain-Kreuzberg, mal eben ein paar Felsbrocken auf die Straße zu setzen, um Parkflächen zu blockieren. Die Stadt braucht in den nächsten Jahren eine stabile Koalition, die Zukunft und Entwicklung in den Innen- und Außenbezirken gleichermaßen im Blick hat.
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Am Freitag hatte die Berliner SPD die Grünen und Linken zu Gast. Die Bemerkung danach, die Gespräche seien „konstruktiv“ verlaufen, wie alle betonten, kommt direkt aus der Phrasendreschmaschine.
In Berlin werden die Annäherungversuche zwischen Grünen und FDP im Bund genau verfolgt. Mal sehen, was Giffey am Montag der CDU und der FDP zu sagen hat – und ob nicht auch hier bald gelb-grüne Gemeinsamkeiten ganz konkret ausgelotet werden.