ASML bedient eine auserwählte Klientel. Nur wenige Unternehmen können sich die EUV-Maschinen leisten.
(Foto: imago images/Pro Shots)
Europas vielleicht wichtigstes Unternehmen ist ziemlich unbekannt: ASML hat ein Monopol auf die weltbesten Lithografie-Maschinen. Sie kosten 120 Millionen Euro pro Stück. Wer sie bedienen möchte, muss monatelang in Ausbildung gehen. Die einzigen Kunden sind die großen Chiphersteller.
Die EUV-Lithografie-Maschinen von ASML sind Giganten: Jede Einzelne wiegt etwa 180 Tonnen und ist ein hochkomplexes Gebilde. Vergangenes Jahr hat das niederländische Unternehmen ein neues Ausbildungszentrum in Taiwan eröffnet, beim wichtigsten Kunden. Der weltgrößte Chiphersteller TSMC schickt seine angehenden EUV-Ingenieure anderthalb Jahre dorthin, um ihnen die Bedienung beizubringen. "Das heißt, du bist schon Ingenieurin. Du hast dich auf Halbleiter-Technologie spezialisiert und brauchst trotzdem 18 Monate Ausbildung, um mit diesen Maschinen umgehen zu können", beschreibt Halbleiter-Experte Jan-Peter Kleinhans von der Stiftung Neue Verantwortung im ntv-Podcast "Wieder was gelernt" die Herausforderung.
Die Halbleiter-Welt ist seit dem Ausbruch des Coronavirus gewaltig aus den Fugen geraten. VW, Toyota und andere große Autobauer müssen ihre Bänder stoppen, weil der Chipindustrie unverzichtbare Chemikalien für die Produktion fehlen und der Autoindustrie damit wichtige Bauteile. Unternehmen wie Apple wissen oder sagen nicht, ob sie im Herbst wie üblich ihre neuen Smartphones auf den Markt bringen können.

ASML hat mit diesen Problemen nichts zu tun, aber die Niederländer sind ein ähnlich fragiler Knotenpunkt der Branche. Denn der vergleichsweise unbekannte Zulieferbetrieb aus der Nähe von Eindhoven ist für einen der wichtigsten Arbeitsschritte der Chip-Herstellung verantwortlich. Es ist eines von nur zwei europäischen Juwelen in dieser wichtigen Branche – so hat es Intel-Chef Pat Gelsinger im Sommer formuliert.
Das erste Juwel ist Imec, ein belgisches Institut für angewandte Forschung. Dorthin gehen Halbleiter-Hersteller wie Intel, Samsung und TSMC, wenn sie herausfinden wollen, wie sie ihre neueste Chip-Generation am besten fertigen. Das andere ist ASML. An der Börse sind die Niederländer bereits doppelt so viel wert wie VW oder SAP.
Jan-Peter Kleinhans leitet bei der Stiftung Neue Verantwortung den Bereich Technologie und Geopolitik.
(Foto: Stiftung NV, Sebastian Heise)
"ASML hat eine Monopolstellung für einen Prozessschritt, die Lithografie. Das ist die Belichtung des Siliziumwafers", erklärt Kleinhans das Fachgebiet der Niederländer. "Wenn ich die modernste Art von Halbleiter für die Smartphones von Apple oder Samsung oder Grafikkarten von Nvidia fertigen will, brauche ich eine bestimmte Art von Belichtungsmaschine. Das haben manche schon als EUV gehört, als Extreme Ultraviolett. Diese Extreme-Ultraviolett-Stepper oder -Scanner stellt ausschließlich ASML her."
Es dauert insgesamt mehr als 1000 Prozessschritte, bis Unternehmen wie TSMC einen Mikrochip herstellen. Die Belichtung ist ein entscheidender, die EUV-Maschinen "drucken" mit ihrer extrem ultravioletten Strahlung winzig kleine Muster in die markant grünen Siliziumwafer, aus denen nach Zuschneiden und Ätzen integrierte Schaltkreis entstehen. Die Giganten von ASML ermöglichen die Massenfertigung der neuesten und schnellsten Mikrochip-Generationen. Jeder Einzelne kostet am Ende ungefähr 120 Millionen Euro und braucht drei Frachtflugzeuge für die Auslieferung. ASML ist der Luxushersteller der Chip-Industrie.
"Exakt, denn es gibt nur eine Handvoll Unternehmen auf der Welt, die sich dieses Equipment leisten können", sagt Halbleiter-Experte Kleinhans. Man könne sie an einer Hand abzählen: "Das sind allen voran TSMC und Samsung, das sind die größten Abnehmer von EUV-Equipment. Dann mit deutlichem Abstand Intel."
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Aber auch in den EUV-Maschinen selbst steckt wahnsinnig viel Schweiß, Arbeit und Know-how: Ihre Entwicklung hat mehr als 20 Jahre gedauert. Erst 2017 lieferten die Niederländer die ersten zwölf an ihre Kunden aus – und sicherten damit den Fortbestand von Moore's Law, dem Mooreschen Gesetz. Das besagt, dass sich die Komplexität eines Chips ungefähr alle zwei Jahre verdoppelt. Hatte ein Chip 2018 eine Milliarde Schaltkreise, müssen es zwei Jahre später zwei Milliarden sein. Immer mehr Transistoren müssen auf die gleiche Fläche Silizium gedruckt werden, damit sie auch modernste Anwendungen steuern können: Smartphones, die Cloud, Künstliche Intelligenz und virtuelle Welten – ohne die sogenannten Cutting-Edge-Chips funktioniert das nicht.
Andere bekannte Namen aus der Lithografie-Branche, wie die japanischen Unternehmen Nikon oder Canon, haben versucht, mitzuhalten, sind aber gescheitert. Sie mussten irgendwann aufgeben, weil nach Jahren der Forschung zwar viel Geld verbrannt, aber kein Durchbruch in Sicht war. Auch ASML ist diesem Schicksal nur knapp entgangen.
"Es ist natürlich schön, dass man jetzt sagen kann: Wir haben einen Monopolisten für diese Technologie in Europa", sagt Jan-Peter Kleinhans. "Aber davor gab es viele Jahre der Durststrecke, wo überhaupt nicht klar war, ob sich diese Technologie durchsetzen wird. Zeitweise hatten alle großen Halbleiterhersteller, also Intel, Samsung und TSMC, massiv in ASML investiert, um die Forschung voranzutreiben und sicherzustellen, dass man diese Technologie irgendwann am Start hat. Weil allen klar war: Ohne können wir die nächste Evolutionsstufe im Halbleiterbereich nicht durchbrechen."
Der Durchbruch hat sich für ASML vor allem finanziell gelohnt. Vergangenes Jahr haben die Niederländer knapp 14 Milliarden Euro Umsatz und 7 Milliarden Euro Gewinn gemacht. An der Börse gehören sie mit einer Marktkapitalisierung von 300 Milliarden Euro zu den wertvollsten Unternehmen der Welt. Im Juli hat die Geschäftsführung mitgeteilt, dass man mittlerweile der einzige Zulieferer von TSMC und Samsung im Bereich von Lithografie-Maschinen sei. Die beiden Chip-Giganten investieren jedes Jahr mehrere Milliarden Dollar, um ihre Spitzenplätze in der Halbleiter-Branche zu verteidigen.
Auch China möchte sehr gerne viel Geld in ASML stecken, um mithilfe der europäischen Maschinen seinen Rückstand in der Chip-Fertigung zu schließen. Der größte und beste chinesische Halbleiterhersteller SMIC hat nach eigenen Angaben schon 1,2 Milliarden Dollar für neues Equipment an die Niederländer überwiesen. Die US-Regierung sagt SMIC aber Verbindungen zum chinesischen Militär nach, deshalb steht das Unternehmen seit Dezember auf einer Schwarzen Liste der Amerikaner und darf bestimmte Technologien nicht erwerben.
ASML wartet bis heute auf die Exporterlaubnis der niederländischen Regierung, wird sie aber voraussichtlich nicht bekommen. Denn die US-Regierung habe "immer wieder bekräftigt, dass man über Restriktionen beim Verkauf von Equipment sicherstellen will, dass die chinesische Halbleiter-Industrie mindestens zwei Generationen hinter Cutting Edge ist", erklärt Kleinhans. "Wenn ich bestimmte Maschinen nicht kaufen kann, kann ich auch nicht in die modernste Halbleiter-Herstellung vordringen. Der Weg ist mir dann einfach verschlossen."

Quelle: ntv.de

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