BASF verbraucht in Ludwigshafen mehr als sechs Terrawattstunden Strom pro Jahr. Derart energiereiche Industriezweige leiden besonders unter dem aktuellen Preisanstieg.
(Foto: picture alliance / AUGENKLICK/KUNZ/BERNHARD KUNZ)
Europas Gasspeicher sind weitgehend leer, Nachschub fließt nur zögerlich. Eine gleichzeitige Windflaute und anziehende Nachfrage sorgen für sprunghaft steigende Energiepreise in ganz Europa. Erste Fabriken müssen die Produktion einstellen.
Explodierende Energiepreise zwingen erste Unternehmen dazu, energieintensive Fabriken in Europa zu schließen. Der Düngemittelhersteller CF Industries stoppte in der vergangenen Woche die Produktion in zwei britischen Werken. Der norwegische Chemiekonzern Yara International, der an mehr als einem Dutzend Standorten in ganz Europa produziert, kündigte an, die Herstellung von Ammonium ab kommender Woche um 40 Prozent zu drosseln. Auch deutsche Unternehmen wie der Chemieriese BASF und der Kupfer-Hersteller Aurubis beklagen Auswirkungen extrem gestiegener Preise für Strom und Energieträger wie Gas, Öl und Kohle.
Die US-Investmentbank Goldman Sachs warnt in einem aktuellen Report vor möglichen großflächigen Stromausfällen in Europa im kommenden Winter. Sorgen bereiten den Energieexperten der Bank vor allem nahezu leere Gasspeicher, bei gleichzeitig nur spärlich eintreffendem Nachschub. Sollte der kommende Winter so kalt ausfallen wie der vergangene, drohe Europa eine akute Energiekrise, heißt es. Regierungen könnten gezwungen sein, die Schließung einzelner Industriezweige anzuordnen. "Es könnte sehr hässlich werden, wenn wir nicht schnell handel um jeden Zentimeter in den Speichern zu füllen", zitiert "Bloomberg" den Chef des italienischen Versorgers Snam. Italien hat die staatlich regulierten Gaspreise bereits massiv erhöht und weitere Preissteigerungen noch vor dem Winter angekündigt.
Selbst wenn größere Blackouts vermieden werden, droht Europas Wirtschaft eine Spirale von Kostensteigerungen, die die Erholung nach der Corona-Krise beeinträchtigen und die Verbraucherpreise weiter anheizen. Neben Gas und anderen Energieträgern fehlen den Unternehmen auch andere Rohstoffe und Vorprodukte wie Mikochips. Die Inflation in Deutschland ist bereits auf den höchsten Stand seit fast 30 Jahren geklettert.
Der Preis für Gas am wichtigsten europäischen Handelsplatz für diesen Energieträger in Amsterdam hat sich seit Beginn des Jahres bereits mehr als verdreifacht. Normalerweise hätten die Gasspeicher in Deutschland und anderen europäischen Ländern nach dem überdurchschnittlich langen und kalten Winter längst aufgefüllt sein müssen. Das ist allerdings nicht passiert. Europas wichtigster Gaslieferant Russland lieferte deutlich weniger als in den Vorjahren. Auch die Fördermenge von Europas hauptsächlich in der Nordsee gelegenen Gasfeldern ist, teilweise wegen Corona-bedingter Ausfälle, gedrosselt. Zugleich sorgt die anziehende Weltkonjunktur vor allem in Asien dafür, dass die Nachfrage für auf dem Seeweg geliefertes Erdgas massiv anzog und nur vergleichsweise wenige Tanker den Weg nach Europa fanden.
Auch andere Energieträger wie Steinkohle werden auf dem Weltmarkt derzeit zu historischen Höchstpreisen gehandelt. Gleichzeitig herrschte in Teilen Europas zuletzt eine ungewöhnliche Windflaute. Vor allem in Großbritannien brach die Produktion von Windstrom regelrecht ein. In Deutschland führte das dazu, dass die in der Abschaffung begriffene Braunkohleverstromung wieder auf Platz eins bei der Elektrizitätserzeugung rückte. Da Braunkohlekraftwerke besonders viel CO2 ausstoßen, zog auch der Preis für CO2-Emissionszertifikate an, was wiederum alle Arten fossiler Energieerzeugung verteuert.
In Deutschland ist der Großhandelspreis für Stromlieferungen bereits auf den höchsten Stand seit knapp zehn Jahren geklettert. Wie sich diese Entwicklung auf Privatkunden niederschlägt, hängt jedoch auch von politischen Entscheidungen ab. Nahezu alle Parteien haben angekündigt, im Falle einer Regierungsbeteiligung nach der Bundestagswahl die EEG-Zulage, die aktuell mehr als 20 Prozent des Strompreises ausmacht, in ihrer jetzigen Form abzuschaffen.
Quelle: ntv.de, mbo

source